Ampel: Start-up-Beauftragte will Finanzierungsmethoden ändern

Start-up-Beauftragte Anna Christmann

Ihre Eltern leiteten ein IT-Unternehmen. Christmann studierte Mathematik, Politik und Volkswirtschaftslehre.

(Foto: imago images/Arnulf Hettrich)

Berlin Wäre die Stelle einer neuen Start-up-Beauftragten im Bundeswirtschaftsministerium öffentlich ausgeschrieben gewesen, hätten sich darin wohl die folgenden Anforderungen wiedergefunden: Kenntnisse in Wirtschaft und Technologie, politischer Sachverstand – und Mitglied bei den Grünen.

Die Bundestagsabgeordnete Anna Christmann erfüllt all diese Kriterien – und soll den Job deshalb nun auch machen.

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bezeichnete Christmann als „ausgewiesene Digitalexpertin“, die als direkte Ansprechpartnerin für Start-ups und die digitale Wirtschaft im Ministerium fungieren werde. Eine Vermittlerrolle also, zwischen den Gründern und denen, die für sie die Spielregeln festlegen.

Schon seit Kindertagen in der Technologie zu Hause

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Christmanns Profil scheint dafür ideal: Sie ist schon seit Kindertagen in der Technologie zu Hause, ihre Eltern leiteten ein IT-Unternehmen. Außerdem studierte sie Mathematik, Politik und Volkswirtschaftslehre und promovierte zu den Grenzen direkter Demokratie. Technologie, Wirtschaft und Politik miteinander zu verbinden – diese Rolle scheint ihr in den Schoß gelegt. Auch im Bundestag, dem sie seit 2017 angehört, beschäftigt sie sich viel mit Technologie. Unter anderem im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung und seit Januar als Koordinatorin der Bundesregierung für Luft- und Raumfahrt.

Christmann gilt in der Fraktion als engagiert und austauschfreudig. Auch wenn sie nicht regelmäßig „die Titelseiten geschmückt hat“, habe sie sich in der fachlichen Community einen Namen gemacht, heißt es. Doch die Anforderungen an ihre neue Rolle sind hoch. Denn als Start-up-Beauftragte wird es der 38-Jährigen vor allem gelingen müssen, das nicht immer einfache Verhältnis der Szene zur Politik zu verbessern.

Laut einer Umfrage des Digitalverbands Bitkom unter knapp 200 Gründerinnen und Gründern aus der Tech-Szene bekam die Start-up-Politik der bisherigen Bundesregierung im Durchschnitt nur die Note „ausreichend“. Das Verhältnis von Start-ups und Politik – es ist kompliziert. Um das zu ändern, hat sich Christmann viel vorgenommen. So möchte sie während ihrer Amtszeit bis zur nächsten Wahl den Bürokratieabbau beschleunigen, Frauen in der Szene fördern und die Finanzierungsmöglichkeiten verbessern – wie sie in Gesprächen verspricht.

Bei den Gründerinnen und Gründern kommt ihre Nominierung gut an. „Dass mit Anna Christmann eine erfahrene und anerkannte Forschungspolitikerin diese Funktion übernimmt, freut uns besonders“, sagt Christian Miele, Vorsitzender des Start-up Verbandes. Auch Sonja Jost, Chefin des Berliner Chemie-Start-ups Dexlechem, bezeichnet Christmanns neue Rolle als „tolle Wahl“ und fügt hinzu: „Sie steht nicht im Ruf, sich leicht instrumentalisieren zu lassen.“

Innovative Ideen fördern

Um die hohen Erwartungen an ihre neue Position auch zu erfüllen, will Christmann den Start-ups unter anderem bei der Finanzierung helfen – zur Not auch mit staatlichem Geld. Während Start-ups bei der Gründung aus vielen Finanzierungsmöglichkeiten auswählen könnten, fehle es für reifere Geschäftsideen oft an Geld. Christmann denkt daher laut eigenen Angaben auch darüber nach, einen staatlichen Fonds für diese Art der Finanzierung ins Leben zu rufen. Denn gerade in Bereichen wie Biotechnologien, in denen es von der Idee bis zum Produkt sehr lange dauert, fehle es oft an dem nötigen langen Atem in der Finanzierung.

Um innovative Ideen in Deutschland besser voranzubringen, will Christmann auch die Art und Weise ändern, wie öffentliches Geld zur Förderung disruptiver Technologien eingesetzt werde. Denn bei disruptiven Erfindungen, so ihre Ansicht, entstehe der Mehrwert nicht immer in der direkten Umsetzung der Projektidee – sondern häufig erst im Nachhinein als Wissen und Chancen für das Ökosystem. Die Frage, ob öffentliche Investitionen gut getätigt seien, müsse deshalb breiter betrachtet werden.

Ein Beispiel für einen disruptiven Bereich, den die Grünen-Abgeordnete Christmann als Zukunftsfeld sieht, sind grüne Technologien und Klima-Start-ups. Bei der Frage, welche der vielen neuen Technologien das Versprechen der Nachhaltigkeit wirklich einlösen, sieht Christmann allerdings den Staat nicht in der Pflicht. Das sogenannte „Greenwashing“ zu erkennen liege in der Verantwortung der Investoren.

Auch in ihrer Rolle als Luft- und Raumfahrtkoordinatorin der Bundesregierung sieht Christmann grüne Technologien auf dem Vormarsch. Satelliten könnten dabei helfen, die Erde zu beobachten, um den Klimawandel besser zu verstehen und ihn auf Grundlage dieser Daten auch zu bekämpfen. Technologie sieht sie nicht als Hindernis, sondern als Werkzeug für einen wirksameren Klimaschutz.

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